Abwrackwerften von Aliağa

Abwracken der Jetferry 1 im Jahr 2016

Die Abwrackwerften von Aliağa (türkisch Aliağa Gemi Söküm Tesisleri) befinden sich nordwestlich von Aliağa (Türkei) in der Bucht von Çandarlı im Ägäischen Meer. Die Verwertung von Schiffen begann hier 1974. Die Abwrackwerften liegen knapp 200 Kilometer südlich der Dardanellen.[1]

Wirtschaftliche Bedeutung

2009 wurden in den Abwrackbetrieben 298.000 t Stahlschrott gewonnen, 2012 insgesamt 927.000 t.[2] 2010 waren hier 21 Betriebe ansässig, die 1.800 Menschen beschäftigten.[1] Die Abwrackwerften von Aliağa gelten in Europa als eine der ersten Adressen für das Abwracken von Schiffen.[1] Acht der Abwrackbetriebe in Aliağa sind laut EU-Verordnung Nr. 1257/2013 anerkannte Demontageplätze für europäische Schiffe (Stand: November 2020):[3] Avşar, Şimşekler, Leyal, Leyal Demtaş, Işıksan, Sök Denizcilik, Ege Çelik und Öge Gemi.[4] Allerdings kam es in der Vergangenheit auch auf EU-zertifizierten Betrieben zu Unfällen.[5]

Die Abwrackwerften von Aliağa stellen für die türkischen Stahlwerke in der Region Izmir eine wichtige Beschaffungsquelle dar.[3] Die Türkei zählt zu den Hauptabnehmern von ausgesonderten Bohrplattformen.[6] Ab Sommer 2020 wurden die Abwrackwerften zu den Gewinnern der COVID-19-Pandemie betrachtet. Kreuzfahrtschiffe und Material aus der Offshore-Förderung wurden vermehrt dort zur Verschrottung gegeben.[7][8][9][10] Vom Ausbruch der Pandemie bis Juli 2022 verschrotteten die Abwrackwerften von Aliağa 16 Kreuzfahrtschiffe mit einer Vermessung von insgesamt 766.500 BRZ.[11]

Insgesamt befinden sich in Aliaga 22 Betriebe.[12]

Probleme

Schon nach der Gründung der Abwrackwerften war die Asbestproblematik beim Abwracken bekannt geworden.[13] Zudem gab es bis 2003 in den Abwrackwerften von Aliağa eine hohe Zahl von Unfällen und Toten.[14] Auch später gab es noch Todesfälle wie 2013 beim Abwracken des Love Boats, der Pacific Princess.[15]

Liste verschrotteter Schiffe (Auswahl)

Zu den hier verschrotteten Schiffen zählen unter anderem:

  • Nearchos (D-65), (1993) und USS Aulick (DD-569) (1997), zwei Zerstörer der Fletcher-Klasse
  • Vlora (1996), ein albanischer Frachter
  • Rommel (D 187) (2004) und Lütjens (D 185) (2012), zwei deutsche Zerstörer der Lütjens-Klasse
  • Vega Oil (2008),[16] ein Tanker, seinerzeit das größte in Aliağa verschrottete Schiff[17][18]
  • Invincible (2011), Ark Royal (2013) und Illustrious (2016), drei britische Flugzeugträger der Invincible-Klasse
  • Costa Allegra (2012), ein 2012 havariertes Kreuzfahrtschiff
  • Götaland (2013), eine schwedische Eisenbahnfähre
  • Pacific Princess (2013), ein Kreuzfahrtschiff, bekannt aus der TV-Serie Love Boat
  • Wilhelmshaven (2014), ein ehemaliges deutsches Seebäderschiff
  • Ocean Countess (2014), ehemals Lili Marleen, ein Kreuzfahrtschiff
  • HMS Gloucester (2015), HMS Edinburgh (2015), zwei britische Zerstörer der Sheffield-Klasse
  • Rheinland-Pfalz (F 209) (2017) und Bremen (F 207) (2021), zwei Fregatten der Klasse F122 der Deutschen Marine[19]
  • Purple Beach (2017),[20] Mehrzweckfrachter, 2015 in der Nordsee havariert
  • Monarch und Sovereign (2020), zwei Kreuzfahrtschiffe der spanischen Reederei Pullmantur Cruises
  • Carnival Fantasy, Carnival Inspiration, Carnival Imagination (2020), drei Kreuzfahrtschiffe der Reederei Carnival Cruise Line
  • Astor (2020), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Transocean Kreuzfahrten
  • Atlantis (2020), ein ehemaliges deutsches Seebäderschiff
  • Sassnitz (2021), eine ehemalige deutsche Fähre der Stena Line
  • Costa Victoria (2021), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Costa Crociere
  • Uthlande (Juni 2021), ein ehemaliges Fähr- und Passagierschiff
  • Boudicca (2021), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Fred. Olsen Cruise Lines
  • Pride of Burgundy (2021), eine Fähre der Reederei P&O Ferries
  • Delphin (2022), ein Wohnschiff und Kreuzfahrtschiff der Reederei Passat Kreuzfahrten
  • SuperStar Libra (2022), ein Wohnschiff der MV Werften und Kreuzfahrtschiff der Reederei Star Cruises
  • Marella Dream (2022), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Marella Cruises, das erste von der Meyer Werft gebaute Kreuzfahrtschiff
  • Golden Iris, ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Mano Maritime
  • Saga Pearl II, ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Saga Cruises
  • Marella Celebration (2022), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Marella Cruises
  • Horizon (2022), ein Kreuzfahrtschiff der Reederei Pullmantur Cruises
  • Moby Vincent (2024), eine Fähre der Reederei Moby Lines

Weblinks

Commons: Abwrackwerften von Aliağa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Beaching der Pride of Calais
  • Peter Knego: Scrapyards of Aliaga. 2013

Einzelnachweise

  1. a b c Schiffsverschrottung sueddeutsche.de
  2. merk + partner business solutions liebich-pr-4u: Türkische Recyclingbranche verspricht steiles Wachstum | KÜSTNER Rohstoffe. Abgerufen am 14. November 2021. 
  3. a b Genehmigungen für weitere Anlagen zum Abwracken von Schiffen erteilt eu-recycling.com
  4. EU approves 2 more shipyards in western Turkey for ship dismantling. 19. November 2020, abgerufen am 27. Februar 2021 (englisch). 
  5. Press Release – Turkish EU-listed yards shaken by two fatal accidents. 9. Februar 2021, abgerufen am 3. März 2021 (englisch). 
  6. Artikel. In: EU-Recycling, Ausgabe 12/2019, S. 30–32; eu-recycling.com (PDF; 7,8 MB) abgerufen am 25. Juli 2020.
  7. Allan E. Jordan: Sovereign, the World’s First Mega Cruise Ship, Arrives at Scrapyard. (Memento vom 25. Juli 2020 im Internet Archive) In: The Maritime Executive, 21. Juli 2020; abgerufen am 25. Juli 2020.
  8. Jason Jiang: Valaris scraps three young drillships originally ordered for $2.25bn. in . (Memento vom 25. Juli 2020 im Internet Archive) splash247.com, 6. Juli 2020; abgerufen am 25. Juli 2020.
  9. Dev gemilerin son adresi İzmir’deki geri dönüşüm tesisi. Abgerufen am 14. November 2021 (türkisch). 
  10. ALİAĞA, AB’NİN YENİ GÖZDESİ OLDU… 10. Mai 2021, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. August 2021; abgerufen am 26. August 2021 (türkisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bayernses.de 
  11. Cruise Covid cull tops 1.5m gt mark as another veteran hits the beach in Turkey. 15. Juli 2022, abgerufen am 15. Juli 2022 (englisch). 
  12. Aliağa dünyanın gemi çöplüğü olmuş! Abgerufen am 18. September 2022 (türkisch). 
  13. Recknagel, Alleweldt: Die Asbestproblematik der Abwrackwerften von Aliaga-Türkei Dezember 1992
  14. Vorläufige Schließungsanordnungen gegen drei Werften in Tuzla
  15. Love Boat: Zwei Arbeiter sterben beim Abwracken. In: Schiffe und Kreuzfahrten. 12. August 2013, abgerufen am 14. November 2021 (deutsch). 
  16. robindesbois.org (PDF; 757 kB)
  17. Dev tanker Vega Oil Aliağa'da sökülecek. 14. August 2008, abgerufen am 26. Dezember 2021 (türkisch). 
  18. Schiffsverschrottung - Harte Schnitte. 11. Mai 2010, abgerufen am 26. Dezember 2021. 
  19. Letzte Fahrt der Fregatte „Bremen“ – Radio Jade. Abgerufen am 14. November 2021 (deutsch). 
  20. GENIUSSTRAND.DE - Vom Geniusstrand zum JadeWeserPort/Container Terminal Wilhelmshaven. In: GENIUSSTRAND.DE. 28. März 2017, abgerufen am 14. November 2021 (deutsch). 

38.82726.93Koordinaten: 38° 49′ 37,2″ N, 26° 55′ 48″ O